Mehr Wir als Ich: Die soziale Dimension von Resilienz
- melaniediener87
- vor 5 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
Dr. Gregor Hasler ist Psychiater, Professor für Psychiatrie und Bestsellerautor. Er zeigt, warum wahre Resilienz nicht im Alleingang entsteht, sondern im Miteinander wächst. In Büchern wie «Resilienz: der Wir-Faktor» und «Was uns wirklich nährt» verknüpft er neueste Forschung mit einer ganzheitlichen Perspektive auf psychische Gesundheit.

Im Interview berichtet Dr. Gregor Hasler über die Kraft von Beziehungen, die Bedeutung bewusster Ernährung und darüber, warum Krisen oft der Anfang von echtem Wachstum sind.
Wer ist für Sie ein Vorbild, wenn es um das Thema Resilienz geht und warum?
Ein grosses Vorbild ist für mich Nelson Mandela. In «Resilienz: der Wir-Faktor» beschreibe ich, wie Resilienz weit mehr ist als individuelles Durchhaltevermögen – sie ist ein Beziehungsphänomen. Mandela verkörpert das wie kaum ein anderer: Er hat unglaubliches Leid erfahren und dennoch Mitgefühl, Klarheit und Versöhnung kultiviert. Diese Fähigkeit, auch im Schmerz die Menschlichkeit zu wahren, berührt mich tief.
In Ihrem Buch beschreiben Sie neun Faktoren der Resilienz. Welcher dieser Faktoren wird Ihrer Meinung nach in der öffentlichen Diskussion unterschätzt – und warum?
Im Zentrum von «Resilienz: der Wir-Faktor» steht die These, dass Resilienz eine soziale Ressource ist. Der sogenannte Wir-Faktor wird oft übersehen – dabei ist er zentral. In unserer individualistisch geprägten Gesellschaft glauben viele, sie müssten Krisen alleine bewältigen. Doch echte Widerstandskraft entsteht in Beziehung, durch Zugehörigkeit, gegenseitige Unterstützung und Verbundenheit. Das habe ich auch im «Berset-Code» anhand der kollektiven Bewältigungsstrategien während der Pandemie analysiert.

In Ihren Büchern sprechen Sie über den Zusammenhang zwischen Ernährung und psychischer Gesundheit. Welche Nahrungsmittel sollte man vermeiden – und welche fördern das psychische Wohlbefinden?
In «Was uns wirklich nährt» habe ich diesen Zusammenhang ausführlich beleuchtet. Es geht nicht nur darum, was wir essen, sondern auch wie und warum. Vermeiden sollte man stark verarbeitete Produkte, übermässigen Zucker und sogenannte «leere Kalorien». Sie nähren weder Körper noch Seele.
Was wirklich nährt, sind natürliche, frische und ganze (heisst unzerkleinerte oder zerstörte) Lebensmittel – aber auch Rituale, Achtsamkeit und soziale Verbundenheit beim Essen. Essen ist ein Akt der Beziehung, zu sich selbst, zum Körper und zur Welt.
Was halten Sie von aktuellen Lifestyle-Trends wie intermittierendem Fasten, Ketogener Diät oder digitalem Detox im Kontext psychischer Gesundheit?
In «Higher Self» beschreibe ich, wie moderne Menschen oft versuchen, durch äussere Optimierung inneres Gleichgewicht zu finden. Diese Trends können durchaus sinnvoll sein, wenn sie nicht zur Selbstoptimierungsfalle werden. Intervallfasten kann positive Effekte haben, digitaler Detox ist für viele entlastend. Aber wir müssen achtsam bleiben: Nicht jedes biohackende Experiment bringt uns wirklich näher zu uns selbst. Entscheidend ist, ob es unsere Selbstwahrnehmung und Selbstverbindung stärkt, nicht nur unsere Leistung.
Was hat Sie ursprünglich motiviert, sich so intensiv mit der Verbindung zwischen Körper und Geist – insbesondere dem Darm-Hirn-System – auseinanderzusetzen?
Diese Motivation zieht sich durch meine gesamte Arbeit. Schon in meinen ersten klinischen Jahren als Psychiater habe ich gemerkt, wie stark psychisches Leiden mit körperlichen Symptomen einhergeht. Das Mikrobiom und das Darm-Hirn-System bieten uns heute eine wissenschaftlich fundierte Erklärung für das, was wir als Psychotherapeut*innen intuitiv schon lange beobachten: Körper und Psyche sind keine Gegensätze, sondern ein untrennbares Ganzes. Dieses Zusammenspiel fasziniert mich. Es ist ein zentrales Thema in «Die Darm-Hirn-Connection», «Was uns wirklich nährt» und auch im spirituellen Sinn in «Higher Self» präsent.
Wenn Sie sich eine Veränderung in unserem gesellschaftlichen Umgang mit psychischen Erkrankungen wünschen könnten – was wäre das?
Ich wünsche mir eine Kultur der Offenheit und der Empathie. Psychische Erkrankungen sind Teil des Menschseins und doch sind sie noch immer mit Scham behaftet. In «Der Berset-Code» habe ich beschrieben, wie kollektive Krisen manchmal helfen, das Tabu zu durchbrechen.
Doch wir brauchen mehr: mehr Aufklärung, mehr Solidarität, mehr präventive Angebote. Und vor allem den Mut, psychische Gesundheit nicht nur medizinisch, sondern menschlich zu verstehen.
Gibt es eine Frage, die wir Ihnen noch nicht gestellt haben, die Sie gerne beantworten würden?
Vielleicht: Was gibt Ihnen selbst Halt, wenn’s schwierig wird? Meine Antwort: Die Verbindung zu Menschen, die mich ehrlich sehen. Und die Erinnerung daran, dass Wachstum nicht trotz, sondern gerade durch Krisen geschieht. Das ist die Essenz von Resilienz, wie ich sie in «Resilienz: der Wir-Faktor» und «Der Berset-Code» beschreibe; und sie begleitet mich nicht nur beruflich, sondern auch ganz persönlich.
Dr. Gregor Hasler zeigt eindrucksvoll, dass wahre Resilienz mehr ist als das Durchhalten in schwierigen Zeiten. Sie wächst aus der Stärke unserer Beziehungen, dem Bewusstsein für die Verbindung zwischen Körper und Geist und der Pflege unserer sozialen Netzwerke. Seine Perspektiven laden dazu ein, Krisen nicht als Rückschläge, sondern als Chancen für persönliches Wachstum und Transformation zu begreifen – ein wertvoller Impuls für ein neues, ganzheitliches Verständnis von Resilienz. Herzlichen Dank für Ihre wertvolle Arbeit!
Hier geht’s zu einem weiteren inspirierenden Beitrag von Dr. Gregor Hasler über Stress und Resilienz.
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